GRK Contradiction Studies

Beitrag in Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft

Ich widme mich in diesem Beitrag der verunsichtbarten Relation von Demokratie und Sorge und entwickle ein radikaldemokratisches Verständnis von Sorge – Radical Democratic Care. Dafür gehe ich in vier Schritten vor: Zunächst führe ich den Begriff der Widersprechenspraxen ein. Ich plausibilisiere deren radikaldemokratisches Potenzial und begründe zugleich, warum sich nicht jede Form des Widersprechens als demokratisch qualifiziert. Dabei zeige ich, dass die radikaldemokratische Theorie ein aktivistisches Ideal forciert, das Sorge zwar in der Idee von „care for the agon“ (Honig 2019) umfasst. Doch die Frage nach den ermöglichenden Bedingungen dieser politischen Sorge um den Agon bleibt unbeantwortet. Ich problematisiere diese Leerstelle und argumentiere, dass sie auf eine theoretische Verdrängung von Sorgearbeit zurückzuführen ist. Im zweiten Schritt verdeutliche ich die demokratietheoretische Relevanz von Sorgearbeit und beleuchte dafür die Herrschaftsverhältnisse, in die Sorgearbeit eingelassen ist, sowie die damit verbundenen Ausschlussmechanismen.
Insbesondere verkörperte Effekte von Sorgearbeit wie Erschöpfung und Ohnmachtsgefühle spielen hinsichtlich der Un-/Möglichkeit, Widerspruch aushalten und leisten zu können, eine Rolle. Daher beziehe ich mich im dritten Schritt auf das Konzept des mis/fit von Rosemarie Garland-Thomson (2011). Weil mis/fitting es im Rahmen der Critical Disability Studies erlaubt, (menschliche) Körper als materiell und zugleich politisch hervorgebracht zu theoretisieren, kann ich analytisch greifbar machen, welche paradoxe Rolle die vorherrschende Organisation von Sorgearbeit dabei spielt, verschiedene gesellschaftliche Gruppen entweder zum Widersprechen zu befähigen oder sie darin strukturell zu behindern. Ich argumentiere abschließend, dass die Umverteilung von Sorge als reproduktive Arbeit und deren Verknüpfung mit Sorge als kollektive politische Logik – Care – eine Voraussetzung dafür ist, dass Widersprechenspraxen ihr radikaldemokratisches Potenzial tatsächlich entfalten können.

Eine Leseprobe finden Sie hier.


Zieringer, Carolin. 2024. Radical Democratic Care. Eine sorgetheoretische Perspektive auf Praxen des Widersprechens. In Femina Politica, 02/2024, 76-84.

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Raum

„Mit Niklas Luhmann kann man Raum als ‚Sondereinrichtung zur Negation von Widersprüchen‘ begreifen.“

Julia Lossau
relational

»Zunächst dachte ich, Widerspruch ist immer eine relationale Sache; je mehr ich aber darüber nachdenke, um so eher meine ich, Widerspruch ist relationierend.«

Ingo H. Warnke
Bhabha zu Aufklärung und Kolonialität

„Homi Bhabha sagt über den Widerspruch zwischen den Idealen der Aufklärung, dem Anspruch auf Demokratie und Solidarität und der gleichzeitigen Kolonisierung und andauernden Kolonialität: ‚Diese ideologische Spannung, die in der Geschichte des Westens als despotische Macht im Moment der Geburt von Demokratie und Moderne sichtbar wurde, ist noch nicht angemessen in einer widersprüchlichen und kontrapunktischen Diskurstradition beschrieben worden.‘“

Kerstin Knopf
artikulieren

„Widersprüche müssen artikuliert werden, damit sie existieren.“

Martin Nonhoff
Motor

„Widerspruch ist ein wichtiger Motor wissenschaftlicher Praxis und Erkenntnis. Ihn besser zu verstehen kann helfen, unsere Realitätsfähigkeit zu steigern.“

Norman Sieroka