
Rechtswissenschaftliche Arbeiten entstehen in der Regel am Schreibtisch, Gespräche sind telefonisch möglich und selbst Archive meist online zugänglich, die meisten Arbeiten basieren auf wissenschaftlicher Literatur. Doch welche Erkenntnisse, Perspektiven und Forschungsgegenstände entgehen rechtswissenschaftlicher Forschung, für die Forschende ihren Schreibtisch nicht verlassen? Und wie lassen sich die Lücken füllen? Eine Möglichkeit für empirische Erforschung des Rechts ist die Methode der Ethnographie. Ausgangspunkt rechtsethnographischer Forschung ist eine Kritik an rechtswissenschaftlicher Forschung, die Recht häufig aus der gleichen Richtung her untersucht: als Text1, als positives Recht, als „geltendes Recht aus der Sicht des Staates“2, als einheitliches Recht, als formales Recht. Rechtsethnografische Forschung bringt eine Abkehr von dieser rechtspositivistischen Einheitlichkeit des Rechts, der Rechtsdogmatik als Königsdisziplin und der Auslegung als höchstem Ziel – und damit auch als methodischer Grenze – mit sich. Sie ermöglicht Öffnungen für andere Perspektiven, Themen und Probleme. Sie eignet sich für theoretisch und empirisch begründete Kritiken rechtlicher Ordnungen und zeigt Perspektiven für eine emanzipatorische Veränderung des Rechts auf.
In Bahmer/Barth/Franz u.a. (eds.) Interaktionen: Internationalität, Intra- und Interdisziplinarität, 263-278. Baden-Baden: Nomos.
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ISBN: 978-3-7560-0643-4
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ISBN: 978-3-7489-4273-3