Elephants in the Room: Autumn-/Spring-School zu post/kolonialen Erinnerungspolitiken

Teile des DFG-Graduiertenkolleg Contradiction Studies und Studierende des MA Transkulturelle Studien haben vom 7. bis 22. September 2023 an der Autumn-/Spring School Elephants in the Room: Situating Post/Colonial Histories and Imaginaries in Kapstadt und Johannesburg teilgenommen.

‘Der Elefant im Raum‘ ist eine weltweit verbreitete Metapher und symbolisiert eine unbequeme Wahrheit, die zu allgegenwärtig ist, um sie zu ignorieren, aber zu schwierig, um sie anzusprechen. Elefanten können Ehrfurcht und Angst auslösen und haben in der Vergangenheit Begehrlichkeiten bei denjenigen geweckt, die zu herrschen versuchen. Als Hüter des kollektiven Gedächtnisses stehen sie auch für Fürsorge, Stabilität und widerstandsfähige Gemeinschaften. Die diesjährige Autumn/Spring-School thematisierte Erinnerungspolitiken, in dem wir den vielen Schichten der Elefanten-Metapher gefolgt sind und erforscht haben, wie dominante und singularisierende Narrative dezentriert werden können, wenn wir sie in spezifischen Zeiträumen und Gefügen einer vernetzten post/neo-kolonialen Welt verorten.

Lwandle Migrant Labour Museum, Cape Town. © Michi Knecht

Die Studienreise fand in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) anschließen – ausschließen: Kulturelle Praktiken jenseits von Globalisierung (Universität, Kunsthochschule für Medien und Technische Hochschule Köln) und dem African Programme in Museum and Heritage Studies der WCU, University of Western Cape, statt. Die Organisator:innen sind Martin Zillinger, Anna Brus, Ciraj Rassool, Fabian Lüke, Carla Tiefenbacher, Amelie Greefe, Katrin Antweiler und Michi Knecht. Am Beispiel verschiedener Erinnerungsorte in Kapstadt und Johannesburg und den umkämpften Geschichten, die mit ihnen verbunden sind, haben wir die Potenziale unterschiedlicher kuratorischer, kulturwissenschaftlicher und ethnographischer Praktiken diskutiert. Wie können neue Beziehungen zwischen einerseits institutionalisierten und andererseits durch Ignoranz, Repression, Konformität oder Verleugnung unsichtbar gemachten Erinnerungskulturen und den involvierten ‘Communities of Struggle’ und ‘Communities by Implication‘ (Erica Lehrer) gedacht und sichtbar gemacht werden? Museen als Orte der Erinnerung bringen durch spezifische materielle und diskursive Praktiken Erzählungen und Vorstellungen hervor, die jeweils in den Widersprüchen post/kolonialer Grenzziehungen situiert sind und transformiert werden. In Südafrika zeigen sich die selektiven Öffnungen zu sozialen Kollektiven und Formen des Begehrens immer noch auch in Resonanz mit den rassifizierten Politiken des Apartheidregimes. Die Autumn-/Spring-School hat Forschende und Studierende aus verschiedenen politischen, geografischen und sozialen Kontexten zusammengebracht. Wir wollen „im Vertrauen aufeinander gemeinsam Unterschiede – und einen Unterschied – machen“ (Helen Verran). Lernen, teilen, streiten, arbeiten um eingeschliffene Wahrnehmungen wie Realitäten zu dezentrieren, zu irritieren und neue Imaginationen, sowie Möglichkeitsräume für kuratorische und forschende Praktiken zu eröffnen.

Ausstellungsraum mit Bildschirmen auf denen Videointerviews abgespielt werden und Kopfhörern.
 re|despair installation, Johannesburg Holocaust & Genocide Centre. © Michi Knecht

Die Reise baut auf dem kuratorischen Projekt des GRK anschließen – ausschließen, The Entire Story Starts Where – Connections and Exclusions of Translocal Positionings und einer seit 2020 bestehenden Kooperation Decentering the Museum zwischen den Universitäten in Kapstadt, Bremen und Köln auf. Nach zwei gemeinsamen Online-Seminaren “Decentering the Museum: Resist! – Repair! – Restitute! – Reimagine!“ kamen MA-Studierende und Doktorand*innen der drei Universitäten im April 2022 in Deutschland zu einer Studienreise durch ethnologische Museen und Missions-Archive zusammen. Ihr intensiver Austausch mit Museumsmitarbeitenden und Kurator*innen und die kritische Auseinandersetzung mit den Ausstellungspraktiken der besuchten Institutionen wurden von den Filmemacher:innen Britta von der Behrens und Sebastian Eschenbach begleitet. Die daraus in Zusammenarbeit mit Studierenden aus Bremen, Köln und Kapstadt entstandene Videoinstallation re|despair – Painful Encounters in German Museums war im Mai/Juni 2023 im Rahmen der European Conference on African Studies im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln zu sehen und wurde während der Autumn-/Spring-School im Johannesburg Holocaust & Genocide Centre gezeigt. Aus dem MA Transkulturelle Studien haben für das re|despair-Projekt Jana Schäfer & Teresa Ellinger teilgenommen.

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Illusion einer Einheit

»Foucault spricht vom Widerspruch als die Illusion einer Einheit

Ingo H. Warnke
Macht und Widerstand

„Michel Foucault sagt: „Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch […] liegt dieser Widerstand niemals außerhalb der Macht“ (Geschichte der Sexualität I, Der Wille zum Wissen, 1983 [1976], S. 96)“

Gisela Febel
Ideal einer widerspruchsfreien Welt

„Wissenschaft war lange beseelt von dem Ideal einer widerspruchsfreien Welt, in der sich logische Ordnungen mit Gesellschaft, Politik, Kultur und Sprache verbinden sollten. Im GRK Contradiction Studies arbeiten wir an Beschreibungsmöglichkeiten für die Vielfältigkeit und Komplexität, die Gefährdung und Schönheit der Welt, die über Konzepte der Widerspruchsfreiheit hinausgehen.“

Michi Knecht
Motor

„Widerspruch ist ein wichtiger Motor wissenschaftlicher Praxis und Erkenntnis. Ihn besser zu verstehen kann helfen, unsere Realitätsfähigkeit zu steigern.“

Norman Sieroka
Gefängnis der Differenz

„‚Widerspruch ist das Gefängnis der Differenz‘ schreibt der französische Philosoph Gilles Deleuze. Worlds of Contradiction fragt: wie können wir die Welt erklären und beschreiben, ohne sie kohärenter und systematischer zu machen, als sie ist?“

Michi Knecht