Prof. Dr. Julia Lossau

Welche Beziehungen bestehen zwischen Gesellschaft, Macht und Raum? Diese Frage auf konkrete Lebenswirklichkeiten zu beziehen und dabei unterschiedliche Maßstabsebenen mitzudenken, macht meine Forschung immer wieder neu, anders und spannend. Als Humangeographin liegt mir die differenztheoretisch informierte Auseinandersetzung mit verschiedenen Facetten von Räumlichkeit – mit spaces und places, mit scales, aber auch mit verschiedenen Formen von Materialität bzw. Stofflichkeit sowie, damit zusammenhängend, (flachen) Ontologien von Materialität und Sozialität – besonders am Herzen. Da ein besonderer Schwerpunkt meiner Professur in der Stadtgeographie liegt, verstehe ich mich (nicht nur, aber auch) als Ansprechpartnerin für urbane Themen im weiteren Sinne. Die Stadt ist im Kontext der Graduiertenkollegs insofern interessant, als sie nicht nur als „Labor der Moderne“, sondern auch als „Labor von Widersprüchen“ verstanden werden kann. Gerade hier bieten Contradiction Studies in meinen Augen die Möglichkeit, der Arbeit mit identifizierenden Kategorien ein Denken in „spaces of dissension“, d.h. ein Denken in und mit Widersprüchen entgegenzusetzen.

Als Geographin stehe ich im Kolleg für eine gewisse „Erdung“ der Widerspruchsthematik sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht. Theoretische Erdung meint für mich den Einbezug von Materialitäten und empirischen Lebenswelten; in praktischer Hinsicht bin ich an konkreten Anwendungen von Contradiction Studies bzw. deren konsequenter Herausführung aus dem akademischen Elfenbeinturm interessiert. Das Alltagsleben der Gegenwart ist durch die Multiplikation divergierender Standpunkte und Perspektiven ebenso gekennzeichnet wie durch bedrückende soziale, ökologische und (bio-)politische Krisen. Vor diesem Hintergrund erhoffe ich mir Projektvorschläge, die entweder stadtpolitisch (critical urban studies), erinnerungspolitisch (postcolonial memory studies) oder politisch-ökologisch (social transformation studies) angelegt sind. In methodisch-methodologischer Hinsicht sind diskurs- oder medienanalytische Vorschläge ebenso willkommen wie stärker ethnographisch orientierte Projekteideen, gerne mit Mut zum Widerspruch.

Ideal einer widerspruchsfreien Welt

„Wissenschaft war lange beseelt von dem Ideal einer widerspruchsfreien Welt, in der sich logische Ordnungen mit Gesellschaft, Politik, Kultur und Sprache verbinden sollten. Im GRK Contradiction Studies arbeiten wir an Beschreibungsmöglichkeiten für die Vielfältigkeit und Komplexität, die Gefährdung und Schönheit der Welt, die über Konzepte der Widerspruchsfreiheit hinausgehen.“

Michi Knecht
Dekoloniale Wissensproduktion

„Dezentralisierende und dekolonisierende Wissensproduktion über Widerspruch, widersprüchliche Phänomene und widersprechende Prozesse ist eine herausfordernde Aufgabe.“

Kerstin Knopf
Grenzen

„Widerstand ist ein demokratisches Recht, manchmal sogar eine Pflicht. Mit der Literatur können wir dafür Modelle finden und über Grenzen nachdenken.“

Gisela Febel
täglich

„Leben in Widersprüchen ist das, was wir täglich erleben. Warum wissen wir darüber so wenig?“

Gisela Febel
Macht und Widerstand

„Michel Foucault sagt: „Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch […] liegt dieser Widerstand niemals außerhalb der Macht“ (Geschichte der Sexualität I, Der Wille zum Wissen, 1983 [1976], S. 96)“

Gisela Febel