Prof. Dr. Gisela Febel

Als Professorin der Romanistik / Literatur- und Kulturwissenschaften (em.) beschäftige ich mich seit langem mit Fragen der postkolonialen Literaturen und der Differenztheorien. Spannend finde ich besonders die Frage, wie Leben in Widersprüchen, Überlebensstrategien und Widerständigkeiten in Literaturen repräsentiert werden, sowohl in der Gegenwart als auch in der Geschichte. Neben narrativen Texten geht es mir dabei auch um andere Genres und Medien, Poesie und Film insbesondere. Außerdem untersuche ich im Rahmen von kulturtheoretischen Überlegungen Fragen des Zusammenlebens angesichts kolonialer oder kultureller Differenz, Humanismuskonzepte und Figurationen des Menschseins und der Intensität. Obwohl die Geschichte der romanischen Länder und Kulturen eine der kolonialen Machtverhältnisse und der subversiven oder offenen Widerständigkeit ist, hat das Konzept des Widerspruchs in der Romanistik bislang noch wenig Bedeutung.

Im Rahmen von Contradiction Studies will ich daher solche globalgeschichtlichen Verflechtungen im Licht postkolonialer und dekolonialer Ansätze reflektieren, um Widersprüche als zentrale Motoren der politischen und gesellschaftlichen Identitätsbildung in romanischen Ländern zu verstehen. Ich bin überzeugt, dass der Blick auf die Widerstandsfiguren in Diskursen, Literatur und Medienerzeugnissen, Politik und Alltagspraxen unser Wissen über das Zusammenleben erweitern und bereichern kann. Literaturwissenschaften bedeutet für mich vor allem intensive Lektüre und kritische Diskussion, hier etwa von zentrale Grundlagentexten aus romanischsprachigen Kontexten zu Konzepten wie z.B. Widerstreit (Lyotard 1983) und aktuelle Entwürfe etwa zur dekolonialen Konvivialität (Quijano 2014) eines Lebens in Widersprüchen, oder die widerständigen Relektüren europäischer Philosophie aus Sicht der ehemaligen Kolonisierten wie z.B. bei Mbembe (2013).

Ich forsche selbst derzeit über karibische Literaturen, Black Diaspora in Frankreich, Geschichtsdarstellung und Dialog in der frühen Neuzeit, Autofiktion und Ethnofiktion in aktuellen Texten. Auch die erinnerungspolitische, diachrone Dimension der Contradiction Studies interessiert mich sehr, z.B. in Bezug auf eine historische Reflexion der Mythisierung von Widerstand in der französischen Résistance, in der haitianischen Revolution oder im spanischen Bürgerkrieg.

Ich freue mich auf theoretisch und/oder textanalytisch ausgerichtete Projektvorschläge von Doktorand*innen aus dem Feld der Romanistik oder auf der Grundlage französisch- oder spanischsprachiger Texte (ggfs. auch italienischsprachig) oder auch komparatistischer Vorhaben, gerne auch zu medialen Texten. Keywords könnten sein: Repräsentationen von Widerstand, postkoloniale Kritik in Literatur und/oder Film, dekoloniale Gemeinschaftsentwürfe, Literatur als Ort von Verhandlungen (über Widersprüche), Kreolisierung, Konvivialität und Widerspruch, Identifizierung in der Diaspora, Ethnoscapes, Noirs de France, Buén vivir, etc.

artikulieren

„Widersprüche müssen artikuliert werden, damit sie existieren.“

Martin Nonhoff
Dekoloniale Wissensproduktion

„Dezentralisierende und dekolonisierende Wissensproduktion über Widerspruch, widersprüchliche Phänomene und widersprechende Prozesse ist eine herausfordernde Aufgabe.“

Kerstin Knopf
täglich

„Leben in Widersprüchen ist das, was wir täglich erleben. Warum wissen wir darüber so wenig?“

Gisela Febel
Macht und Widerstand

„Michel Foucault sagt: „Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand. Und doch […] liegt dieser Widerstand niemals außerhalb der Macht“ (Geschichte der Sexualität I, Der Wille zum Wissen, 1983 [1976], S. 96)“

Gisela Febel
Gefängnis der Differenz

„‚Widerspruch ist das Gefängnis der Differenz‘ schreibt der französische Philosoph Gilles Deleuze. Worlds of Contradiction fragt: wie können wir die Welt erklären und beschreiben, ohne sie kohärenter und systematischer zu machen, als sie ist?“

Michi Knecht