„Wenn sich gesellschaftliche Widersprüche im Recht widerspiegeln, kann das Recht keine widerspruchsfreie Normhierarchie ausbilden.“

Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano

Wenn Widersprüche keine Denkfehler, sondern ins Gesellschaftliche eingewoben sind, hat das Auswirkungen für das Verständnis von Normativität. Als Professor für Öffentliches Recht, Europarecht, Internationales Recht und Rechtstheorie interessiert mich die Frage, wie sich die gesellschaftlichen Widersprüche im Recht widerspiegeln und welche Formen der Widerspruch im Recht annimmt.

Schon die Existenz der Rechtskategorie „Kollisionsrecht“ und von „Grundrechtskollisionen“ verdeutlichen, dass im Recht der Umgang mit Widersprüchen, Kollisionen, Paradoxien und Antinomien alltäglich ist. Ich verspreche mir von der interdisziplinären Reflexion des Widerspruchs im Rahmen der Contradiction Studies daher Antworten auf grundlegende Fragen des Rechts. So gibt es in der Rechtswissenschaft klassischerweise eine Konfrontation zwischen Systemdenken, das von einer normhierarchisch strukturierten Einheit des Rechts ausgeht, und eher pluralistisch argumentierenden Ansätzen, die diese Einheit und die Legeshierarachie in Frage stellen. Die hier ansetzenden rechtswissenschaftlichen Diskussionen betreffen das nationale Recht, das supranationale Unionsrecht und das internationale Recht gleichermaßen. In allen Rechtsordnungen stellt sich die Frage der internen Kohärenz und der interlegalen Öffnung. In der Regel laufen die theoretischen Debatten in der Rechtspraxis im Hintergrund mit, aber insbesondere auch in Folge der Transnationalisierung des Rechts stellt sich in Rechtspraxis und Rechtswissenschaft verschärft die Frage, wie das Recht adäquat mit Kollisionen, Widersprüchen und Spannungen (innerhalb der Ordnungen und zwischen den einzelnen Ordnungen) umgehen kann und soll. Ich freue mich über alle Projektvorschläge von Promovierenden, die rechtsdogmatische Fragestellungen mit theoretischer Reflexion zu den Widersprüchen des Rechts verknüpfen.

artikulieren

„Widersprüche müssen artikuliert werden, damit sie existieren.“

Martin Nonhoff
ein (aufzu)lösendes Problem

„Widerspruch ist oft nicht primär ein (aufzu)lösendes Problem, sondern eine Antriebskraft, ohne die es nicht geht.“

Martin Nonhoff
Afterlife of colonialism

“Contradiction comes in many different forms. None is so debilitating than when the coloniser transitions, textually not politically, to decoloniality without taking the responsibility for the afterlife of colonialism, which they continue to benefit from. Self-examination and self-interrogation of the relations of coloniality, a necessity, seem nearly impossible for the coloniser who continues to act as beneficiary, masked in the new-found language of White fragility, devoid of an ethical responsibility of the very system of White domination they claim to be against.” (Black Consciousness and the Politics of the Flesh)

Rozena Maart
anhaltendes Widersprechen

„Die Geschichte der abendländischen Philosophie lässt sich verstehen als ein anhaltendes Widersprechen und als eine anhaltende Auseinandersetzung mit Widersprüchen.“

Norman Sieroka
Erdung

„Die fachwissenschaftliche Geographie steht für eine gewisse Erdung der Widerspruchsthematik sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht.“

Julia Lossau