Prof. Dr. Ingo H. Warnke

Als Professor für Deutsche Sprachwissenschaft und Interdisziplinäre Linguistik an der U Bremen interessiere ich mich für die grundlegende Frage, welche Funktion Sprache in Konstellationen des Zusammenlebens hat. Theoretisch verorte ich mich in der Soziolinguistik mit Schwerpunkt in der Theorie und Analyse von Diskursen. Zu meinen spezifischen Forschungsinteressen gehören dabei die Postcolonial Language Studies unter Einschluss von Fragen nach Möglichkeiten der digitalen Bereitstellung von kolonialhistorischen Quellen und Forschungsergebnissen zur deutschen Sprache im kolonialen Archiv. Ich arbeite besonders gern in Forschungsteams, dies unter anderem als Ko-Sprecher der Verbundforschungsplattform Worlds of Contradiction an der U Bremen. Genau hier setzt auch mein besonderes Interesse an Contradiction Studies an.

Widerspruch als Relation, als Ordnungsprinzip und auch als Praktik der Entgegensetzung ist ein Gegenstand, der besonders nach interdisziplinärer Zusammenarbeit ruft. Und eine solche Zusammenarbeit halte ich für eine wichtige Aufgabe von Wissenschaft in divers geprägten Gesellschaften. Ein vertieftes Wissen über Forderungen nach Widerspruchsfreiheit, Verstöße gegen kohärente Ordnungsentwürfe des Alltags, Praktiken des Widersprechens und vieles mehr, was als Teil der Contradiction Studies gedacht werden kann, wird dabei helfen, Sprache als Form der Beziehungsgestaltung im Widersprüchlichen zu verstehen.

Als Linguist bin ich vor allem an drei Fragen innerhalb der Contradiction Studies interessiert, die mit den Begriffen Konstitution, Relation und Deklaration umschrieben werden können: Wie wird Widerspruch sprachlich ausgedrückt, wie konstituiert er sich also linguistisch? Inwiefern ist Widerspruch als Beziehung zu verstehen, welche Typen der Relationalität von Widerspruch sind also fallbezogen zu beschreiben? Welche weltverändernde Kraft hat die Ordnungsfigur des Widerspruchs, wie deklarativ ist sie?

Als Sprecher des Graduiertenkollegs, gemeinsam mit der Sprecherin Michi Knecht, stehe ich für das Ideal konvivialer und intellektuell bereichernder wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Ich freue mich auf empirisch orientierte Projektvorschläge von Doktorand:innen, die mit sprachwissenschaftlichem Fokus den sozialen Status von Widerspruchskonstellationen ausloten und gerne auch theoretische Schwerpunktbildungen verfolgen. Zu denken wäre etwa an politolinguistische Projekte, an (auch historisch interessierte) Korpusanalysen mit diskurslinguistischer Ausrichtung oder an Ideen im Rahmen der Postcolonial Language Studies. Keywords könnten sein: Debatten, sprachliche Muster, diskursive Ereignisse, Metapragmatik, Positionierung und vieles mehr.

Afterlife of colonialism

“Contradiction comes in many different forms. None is so debilitating than when the coloniser transitions, textually not politically, to decoloniality without taking the responsibility for the afterlife of colonialism, which they continue to benefit from. Self-examination and self-interrogation of the relations of coloniality, a necessity, seem nearly impossible for the coloniser who continues to act as beneficiary, masked in the new-found language of White fragility, devoid of an ethical responsibility of the very system of White domination they claim to be against.” (Black Consciousness and the Politics of the Flesh)

Rozena Maart
Motor

„Widerspruch ist ein wichtiger Motor wissenschaftlicher Praxis und Erkenntnis. Ihn besser zu verstehen kann helfen, unsere Realitätsfähigkeit zu steigern.“

Norman Sieroka
Normhierarchie

„Wenn sich gesellschaftliche Widersprüche im Recht widerspiegeln, kann das Recht keine widerspruchsfreie Normhierarchie ausbilden.“

Andreas Fischer-Lescano
Erdung

„Die fachwissenschaftliche Geographie steht für eine gewisse Erdung der Widerspruchsthematik sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht.“

Julia Lossau
Zwischenraum

„Der Widerspruch des Rechts bei Derrida liegt in dem Zwischenraum, der die Unmöglichkeit einer Dekonstruktion der Gerechtigkeit von der Möglichkeit der Dekonstruktion des Rechts trennt.“

Andreas Fischer-Lescano