Contradiction Studies

Das Nicht(s)-Wollen wollen: Mittelalterliche Perspektiven auf ein volitionales Paradoxon

Prof. Christian Schneider (U Osnabrück)

13.06.2024 16:15 17:45 Uhr

U Bremen GRA 2 0030 & online

Mittelalterliche Auseinandersetzungen mit dem menschlichen Willen finden vor dem Hintergrund einer besonderen Spannung statt: derjenigen zwischen dem, in der Regel frei gedachten, Eigenwillen des Menschen und dem ihm gegenübergestellten Willen eines ‚Anderen‘, insbesondere dem Willen Gottes. In der christlichen Tradition ist diese Spannung in der Gebetsbitte Fiat voluntas tua, ‚Dein (nicht mein!) Wille geschehe‘, prägnant zum Ausdruck gebracht. Am vielleicht radikalsten hat sie die mittelalterliche Mystik entfaltet und einer Lösung zugeführt, die auf ein Paradoxon hinauszulaufen scheint: das Nichts-Wollen zu wollen. Aber auch außerhalb von Theologie und Mystik spielt die Spannung zwischen Wollen und Nicht(s)-Wollen eine erhebliche Rolle. Der Vortrag skizziert unterschiedliche Perspektiven mittelalterlicher (und frühneuzeitlicher) Texte auf das volitionale Paradoxon, das Nichts-Wollen zu wollen. Dabei wird auch der Versuch unternommen, eine Brücke zu anschlussfähigen Gegenwartsdiskursen zu schlagen, wie etwa dem (Un-)Verfügbarkeitskonzept der soziologischen Resonanztheorie.

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Ideal einer widerspruchsfreien Welt

„Wissenschaft war lange beseelt von dem Ideal einer widerspruchsfreien Welt, in der sich logische Ordnungen mit Gesellschaft, Politik, Kultur und Sprache verbinden sollten. Im GRK Contradiction Studies arbeiten wir an Beschreibungsmöglichkeiten für die Vielfältigkeit und Komplexität, die Gefährdung und Schönheit der Welt, die über Konzepte der Widerspruchsfreiheit hinausgehen.“

Michi Knecht
Afterlife of colonialism

“Contradiction comes in many different forms. None is so debilitating than when the coloniser transitions, textually not politically, to decoloniality without taking the responsibility for the afterlife of colonialism, which they continue to benefit from. Self-examination and self-interrogation of the relations of coloniality, a necessity, seem nearly impossible for the coloniser who continues to act as beneficiary, masked in the new-found language of White fragility, devoid of an ethical responsibility of the very system of White domination they claim to be against.” (Black Consciousness and the Politics of the Flesh)

Rozena Maart
artikulieren

„Widersprüche müssen artikuliert werden, damit sie existieren.“

Martin Nonhoff
Widerspruch benennen

»Widerspruch wird da real, wo jemand Widerspruch benennt.«

Ingo H. Warnke
Kohärenz im Denken

„Das Gebot der Widerspruchsfreiheit erzeugt im Allgemeinen eine Kohärenz im Denken, die oftmals im Widerspruch zur Komplexität des Sozialen steht.“

Yan Suarsana