Kooperation mit der University of the Western Cape zur Dezentrierung des Museums und postkolonialen Erinnerungspolitiken – Besuch dreier Doktorand*innen in Bremen
Zwischen Ende November 2023 und Mitte Januar 2024 waren die Doktorand*innen Brent Abrahams, Vuyisanani Am und Dean E. Stephanus des Department of Historical Studies der University of the Western Cape in Kapstadt auf Einladung des DFG-Graduiertenkolleg 2686: Contradiction Studies – Konstellationen, Heuristiken und Konzepte des Widersprüchlichen zu Gast in Bremen. Die Nachwuchswissenschaftler*innen sind Teil des gemeinsamen Projekts „Decentering the Museum: Resist! – Repair! – Restitute! – Reimagine!“ des Instituts für Ethnologie und Kulturwissenschaft der Universität Bremen (Prof. Dr. Michi Knecht), des Instituts für Sozial- und Kulturanthropologie und des Instituts für Kunstgeschichte der Universität zu Köln (Prof. Dr. Martin Zillinger und Dr. Anna Brus) und des African Program in Museum and Heritage Studies der University of the Western Cape (Prof. Dr. Ciraj Rassool).
In diesem Rahmen haben sich Studierende der drei Universitäten seit dem Wintersemester 2020 in Online-Seminaren und gegenseitigen Study Visits kritisch mit kolonialen Sammlungen und musealen Praxen in deutschen Museen auseinandergesetzt. Daraus ist 2022 in Zusammenarbeit mit den Filmemacher*innen Britta von der Behrens und Sebastian Eschenbach die Videoinstallation re|despair – Painful Encounters in German Museumsentstanden, die die Schwierigkeiten kooperativer Forschung aus verschiedenen Positionalitäten sowie Schweigen, Scham, Wut und Trauer angesichts epistemischer Gewalt dokumentiert. Sie fragt: Wie lassen sich in einer politisch aufgeheizten Debatte Wissensformen dezentrieren? Was „kostet“ es – emotional, individuell, institutionell, politisch – in Deutschland „ungehörten“ Stimmen Gehör zu verschaffen? Nachdem die Videoinstallation bereits im Mai/Juni 2023 im Rahmen der European Conference on African Studies im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln und im September 2023 im Johannesburg Holocaust & Genocide Centre gezeigt wurde, haben die Studierenden sie im Rahmen der Tagung „Der Elefant im Raum: Zur Auseinandersetzung mit Bremens (post-) kolonialer Geschichte und Gegenwart“ am 1. Dezember 2023 im Haus der Wissenschaft in Bremen vorgestellt.
Vorstellung der Videoinstallation re|despair im Haus der Wissenschaft Bremen. © Amelie Greefe
Die Gäste der University of the Western Cape besuchten außerdem am 6. Dezember 2023 die „Cologne Crossroads Conversation“ zum Thema „5 Years of Making and Debating Restitution“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln. Prof. Dr. Bénédicte Savoy und Ciraj Rassool blickten darin auf die Anstrengungen zur Aufarbeitung kolonialen Unrechts und einer Pluralisierung von Wissen sowie auf die Widerstände zurück, die seit der Veröffentlichung des Restitutionsberichts von Savoy und Prof. Dr. Felwine Sarr im Jahr 2018 die Restitutionsdebatte geprägt haben. Am 7. Dezember stellten die Gäste der UWC in einem gemeinsamen Workshop mit Helen Stephan am Graduiertenkolleg Contradiction Studies ihre Dissertationsprojekte vor. Unter dem Titel „Agencies, Contradictions, and Subjectivities. Towards a Material-Discursive Framing of Engaged Practices” diskutierten sie über die Widersprüchlichkeiten in der Beziehung zwischen wissenschaftlicher Forschung, Theorie, Subjektivitäten und gesellschaftlicher Praxis.
Im Rahmen ihres Besuchs in Bremen stellte die re|despair -Gruppe Teile ihrer Filminstallation auch in dem von Prof. Dr. Rosa Cordillera A. Castillo und Michi Knecht geleiteten Seminar „Postkoloniale Verortungen von Transkulturalität“ des Masters Transkulturelle Studien (MATS) vor.
Vorstellung der Videoinstallation re|despair im Seminar „Postkoloniale Verortungen von Transkulturalität“ des MA Transkulturelle Studien an der Universität Bremen. © Michi Knecht
Die Filmausschnitte und das anschließende Gespräch schlossen auf interessante Art an die vorangegangen Vorträge von Dr. Richard Tsogang Fossi und Dr. Mikaél Assilkinga an. Diese hatten über ihre Forschungsergebnisse zum kamerunischen Kulturerbe in deutschen Museen und Sammlungen berichtet, die Teil des 2023 veröffentlichten Sammelbands Atlas der Abwesenheit. Kameruns Kulturerbe in Deutschland sind. Die Studierenden hatten dadurch die Möglichkeit, sich multiperspektivisch mit Fragen des kolonialen Raubs von Kulturgut, musealen Praktiken, der Restitution und der Dezentrierung von Wissen auseinandersetzen.
Die Gäste der UWC konnten ihren Aufenthalt in Bremen zusätzlich dazu nutzen, sich im Rahmen der Kolloquien des Graduiertenkolleg Contradiction Studies mit anderen Nachwuchswissenschaftler*innen auszutauschen und die Arbeit an dem Projekt re|despair weiterzuführen. Die Reflexion der unterschiedlichen Erfahrungen und Eindrücke in kolonial geprägten Institutionen ist nicht abgeschlossen und wirft immer wieder neue Fragen nach Kontinuitäten und der Reproduktion epistemischer Gewalt sowie den Möglichkeiten von kollaborativem, polyphonen Arbeiten auf.
Austausch mit Dr. Richard Tsogang Fossi und Dr. Mikaél Assilkinga sowie Studierenden des MA Transkulturelle Studien an der Universität Bremen. © Michi Knecht